Ein waschechter Lechtaler
Christoph Kammerlander
Christoph "Rissi" Kammerlander ist kreativer Freigeist, Künstler, Musiker und Lechtaler aus tiefstem Herzen. Man muss "Rissi" nicht unbedingt persönlich kennen, doch seine Musik oder auch die ein oder andere seiner Liedzeilen ging sicher schon bei so Manchem/Mancher durch die Gehörgänge. Das musikalische Matermind der Geierwally Freilichtbühne schreibt nicht nur Bühnenmusik, sondern auch so manches Theaterstück. Darüber hinaus ist er auch Bandmitglied bei Lechufer. Die Inspiration für seine Lieder holt er sich dabei im Lechtal an jeder Ecke. Besonders aber am wild, rauschenden Alperschonbach hört er bereits jene Lieder, noch lange bevor sie im Radio auf und ab gespielt werden.
Wir haben uns mit Christoph "Rissi" Kammerlander unterhalten und dabei noch viele interessante Dinge über den musikalischen Allrounder erfahren.
Nach zwei sog. theaterlosen Jahren auf der Geierwally Freilichtbühne, wagt ihr in diesem Sommer wieder den Sprung auf die Bühne. Das Stück heisst “DIE REICHE LISABETH” und stammt u.a. auch aus deiner Feder. Wie kam dir die Idee und was fasziniert dich dabei an der historischen Figur “Lisabeth”?
Endlich, wir freuen uns schon alle sehr und es herrscht richtige Aufbruchstimmung bei den Proben. Das ganze Team ist hoch motiviert. Auf die Idee für das Stück bin ich gestoßen, als mir eine Video Dorfführung von Franz Larcher aus den 90er Jahren zugespielt wurde. Ich kann nur sagen, ein Stück Lechtaler Zeitgeschichte und zudem sehr unterhaltsam. Wir waren gerade aktiv auf der Suche nach geschichtlichem „Stoff“. In so einer Phase war diese Dorfführung eine Goldgrube und ich bin mir fast sicher, dass wir über Holzgau noch mehr auf der Geierwallyühne sehen werden, so geschichtsträchtig dieser Ort doch ist.
Das Wissen von Elsa Knitel und Eva Wallnöfer und die unglaublich ausführlichen Holzgauer Dorfchronik, ein Buch das ich jedem empfehlen kann, hat uns dabei sehr weitergeholfen.
Wir begannen vor ca. 3 Jahren, also noch vor Corona, mit dem Schreiben und im Nachhinein hat das Stück eine ganz eigene Aktualität erlangt. Neben dem Kapitalismus, der natürlich bei einer Geldverleiherin Thema sein muss, hat damals die Cholera gewütet, was auch in der Lebensgeschichte der Reichen Lisabeth thematisiert werden musste, weil sie große Angst davor hatte und es als Gottes Strafe ansah.
Die Faszination an der Reichen Lisabeth war auf jeden Fall ihr großes Herz. Es war auch den Historikern wichtig, dass dies so rüberkommt, denn die reiche Lisabeth ist eine Figur, die bis vor einer Generation noch sehr in den Köpfen der Lechtaler als Sinnbild der Gütigkeit verankert war. Langsam drohte sie in Vergessenheit zu geraten. Da ist es wichtig, dass auch ihr Wesen richtig dargestellt wird.
Du bist ja nicht nur Autor sondern auch Musiker und schreibst schon seit einigen Jahren immer wieder die Bühnenmusik für die Geierwally Freilichtspiele. Kannst du uns einen Auszug aus deinen “Werken” geben? Für welche Stücke hast du die Musik produziert und welches ist dir dabei besonders in Erinnerung geblieben?
2006 holte mich Claudia Lang-Forcher für das Stück die wahre Geierwally. Seitdem durfte ich jedem Stück, meist mit Anda Kappeller meinem Sandkastenfreund und 2erBeziehungskollegen, meinen Stempel aufdrücken. Ich bin immer mit vollem Herzblut dabei und Szenen mit Musik, oder nur Geräuschen emotional zu untermalen ist eines der schönsten Arbeiten die ich machen darf. Wenn ich damit dann meine eigenen Stücke vertonen darf, dann sehe ich es als Geschenk, so etwas machen zu dürfen. Das war 2015 beim Totentanz, 2018 beim Lechufer und ist heuer bei der reichen Lisabeth so.
Neben deinem Engagement bei der Geierwally Freilichtbühne bist du ja auch Bandmitglied bei den unterschiedlichsten “Lechtaler Formationen” - u.a. auch bei Lechufer. Eure Lieder werden täglich im Radio gespielt - kommen diese auch (z.T.) aus deiner Feder? Oder gibt es hier eine ganz klare Aufteilung wer was macht und/oder besser kann?
Die Grundidee vieler Lechufer Songs stammt von mir. So hat das damals mit dem Musical, aus dem sich diese Formation gegründet hat, auch begonnen. Ich musste mit ein paar Liedern Elias und Celina für das Projekt begeistern, auf der anderen Seite Bernhard mit der Idee für das Stück. Spannend ist es auch heute noch für mich, wenn ich diese Grundidee den beiden präsentiere. Elias versteht es, meine Kompositionen, die oft ein bisschen nach 80er, 90er Jahre schmecken, in die neue Zeit zu holen und bei der Produktion haben Celina und ich dann nicht viel mitzureden, was auch gut so ist. Celina versteht es, meine oft viel zu komplizierten Text mit drei Wörtern auf den Punkt zu bringen. Auch Grundideen sind ihre große Stärke. Ich erinnere mich wie sie mal bei einem sehr gemütlichen Abend gesagt hat: „Knoub, mir miaßa mal a Liead übers „Zfrieda sei“ schreiba.“
Kannst du uns beschreiben wie ein Song entsteht? Wie ist deine/eure “Herangehensweise”?
Verschieden! Es gibt oft nur eine Zeile die sich gut anfühlt, und dann spinnt man einen Text drum herum. Ab und zu passiert es, dass mich etwas sehr berührt, da läuft es dann manchmal so, dass man die Gitarre in die Hand nimmt und das Lied spielt, als wäre es schon immer da gewesen. Und dann gibt es auch die Lieder, die wir zu zweit oder zu dritt beginnen. Hier ist immer zuerst mal eine Diskussion über das Thema, wenn dies dann gefunden ist, geht es oft sehr schnell. Einmal haben wir uns für drei Tag auf m Kasermandl eingemietet. Dort entstand „A Tropfa Ewigkeit“.
Du bist im Lechtal tief verwurzelt - das Tal ist deine Heimat. Was verbindet dich mit dem Lechtal und warum bist du hier so gerne “Dahoam”?
Das Schönste am Lechtal ist, dass es von außen so unterschätzt wird. Für einen Innsbrucker ist es mindestens dreimal so weit ins Lechtal zu fahren, als umgekehrt. Trotzdem schaffen wir es fast jedes Jahr um die 10.000 Besucher auf die Geirwallybühne zu holen, das soll uns in Tirol mal einer nachmachen. Wir haben Jahrzehnte den Tourismusboom verschlafen und sind nicht zu einem Alpenballermann mutiert, nutzen dies aber seit geraumer Zeit um etwas zu bieten, was viele nicht mehr haben. Unberührte, einzigartige Natur. Das ist schon mal ein Punkt warum ich hier so verwurzelt und „gera Dahoam“ bin. Dann sind da natürlich die Menschen, die mich schon ein Leben lang begleiten. Außer meiner Familie sind hier auch die meisten meiner Jugendfreunde, mit denen ich schon in den Kindergarten gegangen bin und mit denen mich immer noch eine tiefe Freundschaft verbindet. Wo hat man das denn noch! Neben all dem bietet mir das Lechtal auch die Gelegenheit beruflich das auszuüben, was ich am liebsten mache. Und das wiederum mit Freunden und nicht in irgendeinem geschwollenen Apparat mit künstlichen Allüren. „Weil so sei mir Lechtlar it.“
Es ist eine Freude die eigenen Kinder im Lechtal aufwachsen zu sehen. So unbeschwert wird das nur noch in wenigen Teilen der Erde möglich sein. Ich liebe dieses Tal, seit ich denken kann, war es nie eine Option irgendwann wo anders zu leben.
Woher holst du dir deine Inspiration und deine Ideen? Wo/Wie schöpfst du für dich neue Kraft und wo/wie findest du Erholung?
Beim Theater ist es so, dass ich mich aktiv für die Lechtaler Geschichte interessiere und es mir ein Anliegen ist den Leuten etwas aus unserer Geschichte zu erzählen, was sie noch nicht wussten. Stoße ich über so einen Umstand, dann fängt sich das Rädchen schon an zu drehen. Meine Frau Simone ist oft meine „erste Instanz“ wie ich sie nenne. Da wir die Liebe zum Theater und der Musik teilen, wird sie nie müde mir zuzuhören und oft einen ganz anderen Blickwinkel aufzumachen oder auch mal zu sagen, dass etwas keine gute Idee ist. Der nächste Schritt ist dann, Berny (Anm: Bernhard Wolf) anzurufen. Oder er ruft mit einer Idee an. Ist der erste Samen gesetzt und man spürt, dass es gut ist, wächst es dann fast wie von allein und in zahllosen Nächten wird die Geschichte von uns beiden ausgesponnen, bis der Schreibprozess beginnt. Das kann schon mal über ein Jahr nur besprechen sein. Inspiration finde ich viel in der Natur am Bach hinter meinem Haus. Dort sitze ich sehr viel mit der Gitarre oder dem Laptop. Filme und Musik anderer Künstler und Kunst im allgemeinen inspirieren mich sehr oft zu eigenem. Oder einfach nur andere Menschen. Schnully (Ernst “Schnully” Schnöller > hier eine kleine Story über ihn) ist zum Beispiel so ein Typ.
Wenn dich dein “Dahoam” inspiriert, wie würdest du mit Worten beschreiben “klingt” und “schwingt” das Lechtal?
Mit dem Rauschen des Alperschonerbachs bin ich aufgewachsen. Für mich war es lange komisch, wenn ich irgendwo schlafen musste, wo ich ihn nicht hörte. Und auch heute noch gehe ich wie gesagt sehr oft, an den Bach hinter meinem Haus und tanke Kraft. Ich bin kein Esoteriker, aber irgendwie scheine ich diesen Sound schon zu brauchen.
Was sind deine Hobbies? Wo findest du deinen Ausgleich?
Da mein Hobby ja irgendwann zu einem Teil meines Berufes wurde, wollte ich mir etwas suchen und habe vor ein paar Jahren mit dem Imkern begonnen, was mir sehr Spaß macht und ich auch wieder an meinem geliebten Alperschonerbach ausüben kann. Als fanatischen Filmfan würde ich mich auch bezeichnen und ich lese gern. Ich gehe im Winter ganz gerne mal Schifahren auf die Jöchelspitze und hoffe, dass ich heuer meinen inneren Schweinehund wieder ab und zu mal auf den Tennisplatz bewegen kann. Das größte und schönste Hobby ist aber auf jeden Fall meine Familie.
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Aspekte in Sachen Lechtaler Tourismus? Wo siehst du Chancen, Möglichkeiten aber auch Schwierigkeiten?
Entgegen der Lechtaler Angewohnheit alles immer besser zu wissen, würde ich mir nie anmaßen eine Touristische Fachmeinung abzugeben. Ich freue mich sehr darüber, dass Kultur mittlerweile auch ein Aspekt unseres Tales geworden ist. Dafür bin ich sehr dankbar. Wie schon erwähnt freue ich mich auch sehr darüber, dass unsere Natur eine, wenn nicht die Hauptrolle in unserem Tourismus darstellt. Den Lechweg sollten wirklich auch alle Einheimischen mal gehen. Mir gefällt es sehr gut, dass auch so viele nicht unmittelbare Tourismusbetriebe vom Lechweg profitieren und Handwerk und Naturprodukte bei uns ja fast schon einen Boom erleben. Was ich als Familienvater etwas schade finde ist, dass für unsere jungen Leute so wenig geboten ist. Dies hängt vielleicht nicht unmittelbar mit dem Tourismus zusammen, aber eine etwas vielfältigere Nachtgastronomie würde diesem sicher auch nicht schaden.
von Anja Ginther
03. Mai 2023